Zeit zum Vorlesen

Vorlesezeit!

„Manchmal kommt der Winter über Nacht“, so lautet der Titel des Buches, das für meine Kindheit steht. Ein dünnes gebundenes Buch, das vom Warten auf Weihnachten, vom Schnee und dem Winter erzählt. Vorgelesen hat es meine Mutter. Immer wieder, Jahr für Jahr. So oft, dass ich den Titel nach so vielen Jahren nicht vergessen habe und noch genau weiß wie das Buch aussah. Meine Mutter hat das gut gemacht mit dem Vorlesen. Die Erinnerungen an Momente, in denen wir Kinder um sie herum auf dem Sofa saßen und ihr gelauscht haben, sind deutlich. Und sie sind deutlich positiv belegt. Glücklich.

Zeit zum Vorlesen

Von meiner Mutter inspiriert gab und gibt es auch bei uns Vorlesezeiten. Zusammen auf dem Sofa oder im Kinderzimmer hockend, habe ich mit meinen Kindern viele Bücher durchgearbeitet. Je nach Alter: anfangs Bilderbücher, bei denen man sich als Mutter freute, wenn das Kindchen es irgendwann schaffte, den Ball von Auto zu unterscheiden. Bücher aus Stoff waren das, später dann Exemplare aus stabilem Karton, bei denen oft die Ecken angeknabbert waren. Es folgten kleine Geschichten, Pixi Bücher, Bobo Siebenschläfer, Bücher über das Alleskönner-Wunderkind Conni mit der Schleife im Haar. Geschichten, in denen man die Welt erklärt bekommt. Bis es dann endlich anfing, richtig schön zu werden und Erinnerungen an die eigene Kindheit geweckt wurden. Ich durfte die Kinder aus Bullerbü, Kalle Blomquist und Momo wieder zum Leben erwecken.

Geschichten helfen

Kann man zu alt sein, um Geschichten zu hören? Ich glaube nicht. Sicher lesen die Kinder irgendwann selber und sicher geht das dann auch schneller als beim Vorlesen. Natürlich eignen sich längst nicht alle Geschichten zum Vorlesen – besonders, wenn es spannend wird, überfliegt man ja die Seiten förmlich, um möglichst schnell zu wissen wie es weitergeht. Da würde das Vorlesen ja viel zu lange dauern!

Aber es gibt Situationen, in denen es hilfreich ist, ein Buch zur Hand zu nehmen. Schwierige Themen wie zum Bespiel Ängste, Streit oder Familienkrisen lassen sich leichter erklären, wenn man die Geschichten anderer Menschen dazu erfährt. Man muss natürlich das passende Buch wählen. Es ist wichtig, mit den Kindern zu sprechen und für sie da zu sein. Beim Vorlesen ist man sich ganz nah und steht im direkten Kontakt mit dem Nachwuchs. Zeit zusammen, ohne Handy oder sonstige Störfaktoren. Gespräche entstehen, Fragen werden geklärt, man erfährt was das Kind bewegt.

Wie Kinder profitieren

Als bewiesen gilt, dass das Vorlesen den Wortschatz des Kindes beträchtlich erweitert sowie die Konzentrationsfähigkeit in großem Maße fördert. Das zeigt sich schon im Grundschulalter. Menschen, denen viel vorgelesen wird, greifen später öfter zum Buch.

Ich kann das nur bestätigen – hatte ich doch als Kind den Spitznamen „Leseratte“. Und auch für meine Familie wage ich zu behaupten, dass ich es geschafft habe: Meine Kinder lesen gerne. Das eine mehr, das andere weniger, aber sie lesen und sind zumindest dann und wann mal gefesselt und entschwinden in ihre Welten.

Neulich hat es über Nacht geschneit. Beim morgendlichen Wecken meiner Kinder flüstere ich jedem ins Ohr: „Manchmal kommt der Winter über Nacht“, und sie haben verstanden. Das hat mir gut getan.

Hier findet ihr übrigens tolle Kinderbuch-Empfehlungen von PAIDI Bloggerin Jule.

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