Chillen am abendlichen Atlantik-Strand.

Urlaub mit Kindern

„Familienurlaub ist eine ‚contradictio in adiecto‘“, so ließ mich mein alter Freund Theo, selbst Vater zweier Kinder, wissen. Familienurlaub – ein Widerspruch in sich selbst?

Seit jeher ist der Jahresurlaub überfrachtet und vollgepackt mit allen Bedürfnissen, deren Erfüllung man sich die restlichen 49 Wochen im Jahr versagt. Um sie dann zielgerichtet und vollumfänglich zu erfüllen. Endlich dem Joch der Wochenarbeitszeit und der – häufig genug – sich daran anschließenden Überstunden entflohen. Welcher Typ sind Sie: eher ausschlafen und endlich die liegengebliebenen Bücher lesen? Oder früh auf dem Wanderweg, schließlich sind es 28 Kilometer bis zum nächsten Etappenziel? Natürlich, die wichtigsten römischen Kirchen innerhalb einer Woche, das sollte doch klappen. Gewiss auch mit Kindern – oder vielleicht doch nicht?

Mit Kindern wird realistischerweise keines der drei Vorhaben funktionieren. Warum auch sollte im Urlaub all das klappen, was im Alltag oft genug nur ein Flickwerk von Kompromissen ist? Dem Wunsch nach Entspannung und Selbstverwirklichung der Eltern sind im Urlaub ebenso enge Grenzen gesetzt wie im Familienalltag. Den Kindern geht es nicht anders: Auch sie sind müde und ausgelaugt vom Hamsterrad Schule plus Nachmittagsprogramm oder Kindergarten; auch sie sind urlaubsreif und sehnen sich nach Kontrastprogramm, zwanglosem Nichtstun oder zehn Tagen Strand nonstop. Je nachdem. Wo also liegt die Quadratur des Kreises zwischen Selbstverwirklichung und Entspannung für alle?

Das Straßburger Münster in klein bestaunen – das finden auch die Kinder spannend.

Der Schlüssel liegt zunächst in der Reduzierung der Erwartungen. Weder Mama oder Papa noch die Kinder werden ihre Bedürfnisse auch nur halbwegs umsetzen können. Alle sind deshalb gut beraten, ihre Idealvorstellungen zu begraben und sich mit realistischen, also realisierbaren Freuden zu befassen – die gibt es nämlich auch. Die Regeln dafür sind nicht in Stein gemeißelt, sondern eher Richtschnur und Kompass, keine To-Do-Liste für den geglückten Familienurlaub.

Niemals am ersten Urlaubstag starten

Schlafen Sie erst einmal alle in Ruhe aus. Packen sie nicht zwischen Tür und Angel – Sie vergessen Wichtiges und müssen im Urlaub Geld für Banalitäten ausgeben, die zu Hause doppelt vorhanden sind. Fahren Sie antizyklisch: Nicht früh starten, sondern wenn die Pendler die Autobahn bereits geräumt haben. Lange Autostrecken nerven nicht nur Kinder. Buchen Sie sich lieber unterwegs in attraktiven Kleinstädten ein, akklimatisieren Sie sich schon mal ein bisschen, schauen Sie sich Land und Leute an, die Reise ist Teil des Urlaubs und nicht Teil der unangenehmen Kosten.

Nasen platt drücken beim City-Urlaub vor Straßburgs Patisserien.

Gerechte Verteilung der Freuden

Niemand tut den ganzen Tag gern Dinge, die er nicht mag. Drei Tage dicht gepackte Großstadtbesuche sind der Horror mit kleinen Kindern, aber auch unfair den Kids gegenüber. Das wird nicht funktionieren. Aber alle Städte haben Parks und Spielplätze. Bauen Sie Pausen ein, Platz und Zeit für Spiel, Picknick (schont nebenbei noch Ihr Urlaubsbudget) und Auslauf. Zudem kommen die Kinder auf Spielplätzen schnell mit neuen Sprachen und Kulturen in Kontakt. Auf der anderen Seite können kulturinteressierte Eltern ebenso für sich reklamieren, nicht den ganzen Tag Sandburgen am Strand bauen zu müssen – ein Stündchen am Tag wohl aber schon.

Sagen Sie „Ja“ zum Unperfekten

Im Urlaub soll alles perfekt laufen? Vergessen Sie’s! Haben Sie einen Flieger gebucht, hat bestimmt jemand morgens Durchfall, entwickelt plötzlich Flugangst oder kann auf einmal die Zahnspange oder das geliebte Kuscheltier nicht mehr finden.

Überlegen Sie sich, wo Sie Destinationen finden können, die zu erreichen das Nervenkostüm aller nicht vor dem eigentlichen Urlaubsbeginn ruiniert. Im Sommer ist es auch in Mitteleuropa schön, während es beispielsweise in Südfrankreich heiß und teuer ist. Was spricht gegen eine Sommerreise ohne Flug und komplizierte Anreisen?

Enten füttern und rennen in schönen Park- und Schlossanlagen macht beiden Spaß, den Eltern und den Kindern.

Hotels sind oft prima für ein- oder zweimalige Übernachtungen und bieten zunehmend auch Familienzimmer mit kleiner Küchenzeile an. Familien sind schon lange die wichtigste Klientel für Ferienwohnungen; in letzter Zeit werben zunehmend Campingplätze mit attraktiven Familienangeboten, u. a. sehr ordentlich ausgestatteten „mobile homes“ für bezahlbares Geld.

Stichwort Campingplätze: Diese haben insbesondere Familien als wünschenswerte Zielgruppe erkannt und sind entsprechend ausgestattet, Kinderbäder und Flaschenwärmer inklusive. Ordentliche Zelte und Schlafsäcke kosten nicht die Welt, sondern sind eine sinnvolle Investition in die Urlaubszukunft – seien Sie mutig und gönnen Sie sich wohldosierte Wildheit! Sagen Sie außerdem „nein“ zu Urlaubsfolter mit vermeintlich hohem Sozialprestige – machen Sie sich locker und greifen Sie stattdessen in die thermoelekrische Kühlbox, wo der Weißwein auf Sie und Ihre/n Partner/in wartet.

Es muss ja nicht immer der sperrige Kinderwagen sein: Citytrips mit Kleinkind funktionieren hervorragend, wenn das Kind alles sieht und schön getragen wird. Mit dem richtigen Equipment macht da auch der Regen nichts mehr aus.

Und übrigens: Wenn Sie bei dem Stichwort „Jugendherberge“ an Hagebuttentee und knarzende Doppelstockbetten denken, dann zeigt dies vor allem, dass Sie wahrscheinlich in den letzten 20 Jahren keine Jugendherberge mehr betreten haben. Nicht alle, aber viele Jugendherbergen sind spektakulär gelegen, haben vorbildliche Familienzimmer und kinderfreundliche Komfortzonen wie Spielzimmer, etc. Besonders mit kleinen Kindern dachte ich: „Unglaublich, wie selbstverständlich hier Anliegen ernst genommen und Bedürfnisse erfüllt werden!“ Abgekochtes Wasser für die Babynahrung, abermals neue Kissenbezüge wegen Milch-Malheur – häufig werden solche Wünsche schnell erfüllt.

Weniger ist weniger ist mehr

Im Urlaub und am Urlaubsort ist alles neu. Machen Sie sich und Ihren Kindern keinen Urlaubsstress. Unser erster (und leider verregneter) Campingurlaub war für die Kinder ein Erfolg im Sinne des Erholungsfaktors. Unermüdlich kochten sie im Spielzeuggeschirr im Nieselregen ihre heilsame Grassuppe, knutschten mit Eseln, fütterten Entchen. Genervt vom Regen waren nur wir, die Eltern, ansonsten hatten alle Spaß – und schließlich auch die Eltern.

Schlecht-Wetter-Tag beim Campen? Kein Problem, dann darf es auch mal Freund Disney sein.

Überlegen Sie also, ob es wirklich die Villa am Gardasee sein muss. Auf dem Campingplatz gibt’s andere Kinder – und die haben schließlich auch Eltern, die vielleicht Sie kennenlernen möchten. Ein freundliches Lächeln und die Einladung auf ein Glas Wein an die Nachbarn, mehr braucht es mitunter nicht für ein paar gelungene Abende. Und wen werden Sie da treffen? Eltern wie Sie, die sich freuen, wenn ihre Kinder andere Kinder zum Spielen und Quatsch machen gefunden haben und damit den Eltern Luft zum Lesen, Quatschen und Abhängen bescheren. Ganz lässig also, so eine Campingexistenz!

Nun denken Sie bestimmt: „Richtig, ist doch alles nicht so schwer, das wird schon!“ Wird es auch, wenn man die Bedürfnisse einigermaßen überein bringen kann. Ansonsten halten Sie’s mit Karl Popper: „Alles Leben ist Problemlösen.“ Nicht mehr und nicht weniger, denn hat man eines geknackt, kommt das nächste um die Ecke gebogen. Aber nur Mut – Sie sind bis hierhin gekommen, wovor haben Sie eigentlich noch Angst?

Posted on Categories Zusammen leben

Auch interessant: